Month: March 2022

Formel 1 „just for fun“

Ulf Ehninger aus Tübingen in Deutschland holte sich 2021 überraschend den Titel in der BOSS GP OPEN Class. Wir haben mit dem Titelverteidiger vor dem Saisonstart in Hockenheim (6.–8. Mai 2022) über die Besonderheit, einen Formel-1-Wagen einzusetzen, gesprochen.

Blicken wir zurück auf 2021: Was sind die stärksten Erinnerungen an dein Meisterstück?

ULF EHNINGER: „Wahrscheinlich, dass wir es überhaupt geschafft haben! Bis Monza war uns das gar nicht bewusst, erst als Thomas Hummer von Pirelli bei der Siegerehrung zu mir gesagt hat, dass wir eine Chance haben, haben wir darüber nachgedacht. Zuvor wollten wir das völlig entspannt angehen – just for fun. Ich habe gelernt, wenn ich Druck rausnehme, klappt es besser. Ingo Gerstl hat mir geholfen, das Setup des Autos zu verstehen. Ich habe mich im Auto lange nicht wohlgefühlt, jetzt spüre ich das Auto und dessen Grenzbereich wesentlich besser.“

Was verbindet dich mit dem Benetton B197?

EHNINGER: „Das Auto ist toll, ich stehe oft schmachtend davor. Eigentlich ist der Wagen viel zu schade zum Fahren. Es ist wahrscheinlich auch das Formel-1-Auto mit den meisten Kilometern weltweit!“

Was muss man können, um so ein Auto zu bewegen?

EHNINGER: „James Hunt sagte einmal, ‚big balls‘. Bevor ich in so ein Auto einsteige, habe ich ganz schön Kopfkino. Wenn man drinsitzt, ist es allerdings weg. Aber es bleibt eine Riesen-Herausforderung, damit zu fahren. Nach dem ersten Freien Training bin ich komplett durch den Wind – und mit vielen Eindrücken konfrontiert – das kostet brutal viel Überwindung. Gerstl drückt ab, ich muss mich herantasten. Dabei hat mir auch Ingenieur Dario Pergolini mit seinen Analysetools viel geholfen. Ich kann das Gefühl, einen solchen Rennwagen zu fahren, gar nicht beschreiben. An die Beschleunigung gewöhnt man sich am schnellsten, an die Kurvengeschwindigkeiten werde ich mich aber nie gewöhnen können.“

Wie kam es überhaupt dazu? Ein Formel-1-Auto kauft man ja nicht im Supermarkt …

„Ich bin längere Zeit Langstreckenrennen gefahren. Der Traum war aber immer, einen Formel-1-Rennwagen zu fahren, was ich mir zu meinem 50. Geburtstag erfüllen wollte. Dass ich heute selber eines besitze und einsetze und schon fast 3.000 Kilometer damit gefahren bin – damit geht ein Traum in Erfüllung. Im Rahmen des Jim Clark Revivals am Hockenheimring 2018 habe ich einen Sportwagen eingesetzt. Uns ist die Antriebswelle gebrochen. Nach der Reparatur liefen wir spät abends durchs Fahrerlager. Als wir an der Box von Phil Stratford vorbeikamen, stand auf einem Aufkleber ‚Sale‘ drauf. Eher spaßeshalber haben wir dann die Nummer angerufen und landeten bei Kevin Mansell und Phil Stratford, die uns schon am nächsten Tag über das Auto informiert haben. Es ist dann noch einige Zeit vergangen, da das Auto in den USA stand, bis wir loslegen konnten. Unser Ziel ist aber immer gewesen, das Auto selber einzusetzen und nicht von einem anderen Team betreuen zu lassen.“

Das klingt gut, aber nicht einfach.

EHNINGER: „Ich schraube viel selbst und fahre auch selber mit dem Lkw. Sehr ermüdend kann die Suche nach Teilen sein, da kann es schon einmal drei Monate dauern, bis man etwas findet. Im Winter wird alles geprüft – jeder Dichtring, das komplette Chassis auf mögliche Risse usw., die Ersatzteile muss man nachbauen lassen. Gerade arbeiten wir an einer Lösung, die kurzen Laufzeiten des Getriebes zu erhöhen. Nach dem Rennen am Red Bull Ring (3.–5. Juni 2022, Anm.) kommt der Motor dann zur Revision.“

Warum kannst du trotzdem nicht genug davon bekommen?

EHNINGER: „Ich finde es schön, ein Rennwochenende gemeinsam mit anderen zu verbringen. Ich bin supergut in die BOSS GP aufgenommen worden. Es hieß immer, da fahren nur die reichen ‚Schnösel’ – aber so war es nicht. Wir genießen es also, so ein Wochenende als Gemeinschaft zu verbringen anstatt irgendwo anonym an Track Days teilzunehmen. Letztes Jahr haben uns die Italiener zum Essen eingeladen, und obwohl wir kein Italienisch konnten und sie kein Deutsch, haben wir uns köstlich einen Abend lang unterhalten.“

Dein Team ESBA Racing kommt ja ursprünglich vom Langstrecken-Rennsport, wie seid ihr aufgestellt?

EHNINGER: „ESBA gab’s wie du richtig sagst schon vor dem Benetton, ungefähr seit 2016. Dafür hatten wir uns auch schon einen Lkw zugelegt, in dem wir auch heute noch an den Rennstrecken übernachten. Seit Anfang an mit dabei ist Jochen, mit dem ich schon über 30 Jahre befreundet bin. Wenn ich fahre, ist er mit. Wenn er fährt, bin ich dabei. Jens habe ich über einen Freund kennengelernt. Der hat sich bei uns zu einem wertvollen Teammitglied entwickelt und ist jetzt auch bei Glickenhaus engagiert. Seine ganze Leidenschaft gilt dem Benetton, ohne ihn, würde das gar nicht laufen. Dazu kommt Dario, der die Professionalität ins Team gebracht hat.”

Kannst du uns deine bisherige Rennkarriere kurz zusammenfassen?

EHNINGER: „Karriere ist vielleicht ein wenig übertrieben (lacht). Vor mittlerweile über 20 Jahren wollte ich unbedingt auf der Nordschleife fahren. Zusammen mit Freunden haben wir einen BMW E36 M3 aufgebaut – ohne viel Zeit und Geld. Später bin ich dann auch mit einem Audi und einem Porsche gefahren – sogar zweimal die 24 Stunden am Nürburgring. Die Nordschleife ist als Strecke sicherlich das Größte, was es gibt.

An der BOSS GP Racing Series gefällt mir , wie die Leute ticken, dass man zusammen Spaß haben kann und die Politik im Hintergrund steht. Mit Pirelli hat man einen starken Partner und ist sicherlich auf einem guten Weg. Ich würde mir wünschen, dass für den Nachwuchs noch mehr getan wird.“

Was sind die Pläne für die neue Saison?

EHNINGER: „Neben einigen Rennen in der BOSS GP werde ich auch versuchen, ein anderes historisches Rennauto einige Male einsetzen zu können, nämlich einen V8-Star-Boliden (deutsche Silhouetten-Formel aus den frühen 2000er-Jahren, Anm.) – das Orginial-Hasseröder-Auto von Harald Grohs.“

Fotos: Angelo Poletto/BOSS GP

Formula 1 ”just for fun”

Ulf Ehninger from Tübingen in Germany surprisingly won the BOSS GP OPEN class title in 2021. We spoke to the defending champion ahead of the season opener in Hockenheim (6-8 May 2022) to discuss the speciality of running a classic Formula 1 car.

Let’s look back to 2021: What are the strongest memories of your masterpiece?

ULF EHNINGER: “Probably that we made it at all! We didn’t even realise it until Monza. It was only when Thomas Hummer from Pirelli told me at the podium ceremony that we had a chance that we started thinking about it. Before that, we wanted to be completely relaxed about it – it was just for fun. I learned that if I take the pressure off, it works better. Ingo Gerstl helped me to understand the set-up of the car. I didn’t feel comfortable in the car for a long time, now I feel the car and its limits much better.”

Was verbindet dich mit dem Benetton B197?

EHNINGER: “The car is great, I often stand languishing in front of it. Actually, the car is much too beautiful to drive. You should know, that it’s probably also the Formula 1 car with the most kilometres worldwide!”

What do you need to be able to do to drive a car like that?

EHNINGER: “James Hunt once said, ‘big balls’. Before I get into a car like this, I have quite a mental dilemma When you sit in it, however, it’s gone. But it’s still a huge challenge to drive it. After the first free practice session I’m completely blown away – and confronted with a lot of impressions – that takes a lot of effort. Gerstl pulls the trigger, I have to feel my way. Engineer Dario Pergolini helped me a lot with his analysis tools. I can’t even describe the feeling of driving such a racing car. Acceleration is the quickest thing to get used to, but I’ll never get used to the cornering speeds.”

How did it come about in the first place? You don’t buy a Formula 1 car in a supermarket …

EHNINGER: “I drove endurance races for a long time. But my dream was always to drive a Formula 1 racing car, which I wanted to do for my 50th birthday. The fact that I now own and drive one myself and have already driven almost 3,000 kilometres in it – that’s a dream come true. I drove a sports car in the Jim Clark Revival at the Hockenheimring in 2018. We broke the drive shaft. After the repair, we walked through the paddock late at night. As we passed Phil Stratford’s pits, a sticker said ‘Sale’. Rather jokingly, we then called the number and ended up with Kevin Mansell and Phil Stratford, who informed us about the car the very next day. It then took some time, as the car was in the USA, until we could get started. But our goal has always been to run the car ourselves and not have another team look after it.”

That sounds good, but not easy.

EHNINGER: “I do most of the work myself and also drive the truck. The search for parts can be very tiring, it can take three months to find something. In winter, everything is checked – every sealing ring, the entire chassis for possible damage and so on. The spare parts have to be rebuilt. We are currently working on a solution to increase the short running times of the gearbox. After the race at the Red Bull Ring (3-5 June 2022, note), the engine will then come in for an overhaul.”

Why can’t you get enough of it anyway?

EHNINGER: “I think it’s nice to spend a race weekend together with others. I have been super well welcomed into the BOSS GP. It was always said that only the rich ‘snobs’ race there – but it wasn’t like that. So we enjoy spending a weekend like this as a community rather than attending track days somewhere anonymously. Last year the Italians invited us for dinner, and even though we didn’t know Italian and they didn’t know German, we had a delicious evening of conversation.”

Your team ESBA Racing originally comes from endurance racing, how are you set up?

EHNINGER: “As you rightly say, ESBA already existed before the Benetton, roughly since 2016. We had already bought a truck for it, which we still use today to spend the night at the race tracks. Jochen, with whom I’ve been friends for over 30 years, has been with me from the beginning. When I’m driving, he’s with me. When he rides, I’m with him. I met Jens through a friend. He has become a valuable team member and is now also involved with Glickenhaus. He’s passionate about Benetton, and without him it wouldn’t work at all. Then there is Dario, who has brought professionalism to the team.

Can you briefly summarise your racing career so far?

EHNINGER: “Career is perhaps a little overstated (laughs). More than 20 years ago, I really wanted to race on the Nordschleife. Together with friends we built a BMW E36 M3 – without much time or money. Later I also drove an Audi and a Porsche – even the 24 Hours of the Nürburgring twice. The Nordschleife is certainly the greatest track there is.

What I like about the BOSS GP Racing Series is the way the people tick, that you can have fun together and that politics is in the background. With Pirelli, we have a strong partner and are certainly on the right track. I wish, more being done for young talent.”

What are your plans for the new season?

EHNINGER: “In addition to a few races in the BOSS GP, I will also try to drive another historic race car a few times, namely a V8 Star bolide (German silhouette series from the early 2000s, note) – the original Hasseröder car from Harald Grohs.”

Photos: Angelo Poletto/BOSS GP